Geboren 1929 gehört Hans Koschnick zu jener Generation, die als Kinder und Jugendliche den Krieg erlebt haben, schneller erwachsen werden mussten als die Nachkriegsgeneration und sehr früh Verantwortung übernommen haben. Er war notorisch der Jüngste: Bürgerschaftsabgeordneter der SPD mit 26, Innensenator und Bürgermeister mit 34 und schließlich der jüngste Regierungschef eines Bundeslandes, Präsident des Senats mit 37 Jahren. Seine Erfahrungen im Krieg und die Verfolgung der Eltern im Nazionalsozialismus haben seinen Blick für Ungerechtigkeit geschärft und seine Solidarität mit denen, die unter Nazideutschland besonders gelitten haben, geweckt. Mit Israel, mit Polen, mit Jugoslawien knüpfte er früh – und oft als erster deutscher Politiker – Verbindungen, die zu engen Beziehungen geführt haben. Er gilt als Wegbereiter der polnisch-deutschen Aussöhnung. Von 1987 bis 1994 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Gegen Ende seiner Abgeordnetenzeit wurde Hans Koschnick EU-Administrator in Mostar in Bosnien-Herzegowina. An einem Brennpunkt des Konfliktes in Ex-Jugoslawien, einer Stadt, in der 500 Jahre Muslime, Kroaten und Serben miteinander gelebt hatten, sollte er in der zerstörten Stadt die Menschen wieder zusammenführen, die einen schrecklichen Krieg gegeneinander geführt hatten. Er tat es und geriet dabei nicht nur einmal in Lebensgefahr. Auch in dieser Situation ist es ihm gelungen, in besonderem Maße herkömmliche Grenzen zu überbrücken.
„Toleranz reicht für Waffenruhe, für Frieden reicht sie nicht, es muss das Akzeptieren des anderen in seiner Andersheit hinzukommen. Das Identifizieren mit den Opfern ist leichter, die Klärung der Schuldfrage ist stets schwer, da ich immer noch nicht begreifen kann, wie die Deutschen in der Nazizeit solche Greultaten begehen konnten.“